Manifest

Was wir wollen!
What we desire!

Mit dem 2018 von Frauen aus dem ehemaligen LAZ und von jungen radikalen Lesben gemeinsam neu gegründeten LAZ reloaded wollen wir durch Schaffung einer Erinnerungskultur auf diese revolutionäre Bewegung aufmerksam machen. Wir wollen unsere Erfahrungen, auch selbstkritisch, mit den nachfolgenden Generationen teilen und kommunizieren, so dass wir alle von diesem Informations- und Erfahrungsaustausch profitieren und unsere Kräfte bündeln können. Denn obwohl wir viel erreicht haben, bleibt immer noch viel zu tun im Kampf für die Befreiung von Frauen und Lesben und gegen veränderte Formen der Diskriminierung  – in und außerhalb der Community, in der Berufswelt, Wissenschaft, im Erziehungs- und Bildungswesen, in der Gesetzgebung, Politik und Medien, Verbänden und Vereinen, Sport, Kunst und Kultur, gegen die frauenverachtenden Strukturen unserer immer noch männerdominierten Gesellschaft.

LAZ reloaded, launched jointly by women of the former LAZ and young radical lesbians in 2018, wishes to draw attention to this revolutionary movement by creating a culture of shared memories.  We want to communicate our experiences with the next generation – also in a self-critical manner – in order to benefit from this mutual exchange of information and experience, thereby combining our energies.  Although we have achieved quite a lot, there are still many battles ahead of us for the liberation of women and lesbians and against varying forms of discrimination: in the professional world, science, education, legislation, politics and the media, associations and clubs, art and culture.  We are still struggling against the misogynistic structures of our continuing male-dominated societ

Erinnern wir uns!
Let’s remember!

In einer Zeit, in der über die Unsichtbarkeit von Lesben heftig diskutiert und nach den Gründen dafür gesucht wird, möchten wir an den Beginn der autonomen Lesbenbewegung erinnern und daran anknüpfen.
Vor weit über 40 Jahren haben die Lesben der HAW-Frauengruppe das Lesbische Aktionszentrum West-Berlin (LAZ) gegründet und sich damit in Abgrenzung von den schwulen Männern der HAW (Homosexuelle Aktion West-Berlin) autonom organisiert.
Die Ideen, Aktions- und Widerstandsformen gegen die Diskriminierung von lesbischen Frauen, gegen Zwangsheterosexualität, gegen herrschende Geschlechterrollenstereotypen, die Macht der Kirchen und gegen patriarchale und kapitalistische Strukturen der Gesellschaft waren vielfältig und bahnbrechend.

Nowadays as the reasons for the invisibility of lesbians are being fiercely debated, we wish to recall the foundation of the autonomous lesbian movement and reconnect with it.  Well over 40 years ago, HAW women’s group set up the Lesbian Action Centre West Berlin (LAZ), an autonomous movement separate from the gay men of HAW (Homosexuelle Aktion West Berlin).  Ideas and modes of action and resistance against the discrimination of lesbian women – compulsory heterosexuality, prevailing gender role stereotypes, the power of churches and patriarchal and capitalist structures of society – have been numerous and trailblazing.

Willkommen!
Welcome!

Unsere Veranstaltungen haben einen Schwerpunkt auf lesbischem Feminismus, lesbischer Kultur und Geschichte, sind aber nicht darauf beschränkt. Willkommen sind generell alle Frauen (XX), die die Werte des Grundgesetzes teilen – lesbisch, bi oder heterosexuell. Wir sind uns bewusst, dass sich auch in feministischen Kreisen rassistische Strukturen wiederholen können und weiße Frauen häufig dazu beitragen. Wir wollen einen Raum schaffen, in dem Schwarze Frauen und Lesben of Color eingeladen sind, mitzumachen, und in dem offene und kritische Auseinandersetzungen zum Thema Rassismus selbstverständlich sind. Wir sind so unterschiedlich wie Lesben/Frauen es als Menschen eben sind – in welche Schublade man(n) uns auch immer stecken möchte, um uns zu diffamieren: was uns eint, ist die Vision einer Welt, in der Frauen frei sind und unser Planet überleben kann.

Our events focus on, but are not limited to, lesbian feminism, lesbian culture and history. In general, all women (XX) – lesbian, bi or heterosexual – who share the values laid down in the German Basic Law are welcome.

We are aware that even in feminist circles, racist structures may be replicated and white women are not immune to this. We welcome women and lesbians of colour in our midst where open and critical discussions about racism are part of our ongoing awareness. As lesbians, we have the same differences among us as everybody else – whatever pigeon-hole one wants to put us in in order to defame us. What unites us is the vision of a world in which women are born free and our planet will survive.

Raum für Solidarität!

Space for solidarity!
Es ist uns daher ein Anliegen, neue Strukturen und Frauen/Lesbenräume zu initiieren, in denen wir uns austauschen, diskutieren und streiten können. Wir möchten Räume, in denen wieder eine Auseinandersetzung mit lesbisch-feministischer Theorie und Praxis stattfinden kann, in denen wir frei sind und in denen Feminismus gelebte Realität wird. Dabei ist höchstes Gebot, dass wir uns in schwesterlicher Solidarität untereinander und im lesbisch-radikalfeministischen Umfeld respektieren und achten. Wir pflegen den kritischen Dialog und streben eine Streitkultur an, die von sachlicher Kritik und respektvollem Umgang mit kontroversen Meinungen geprägt ist. Die Verunglimpfung von Frauen/Lesben in Öffentlichkeit, Internet und den sozialen Medien lehnen wir ab.

It is, therefore, important for us to establish new structures and female-only spaces in which we may undertake networking and in-depth discussions and exchange ideas and different viewpoints. We need areas of our own for dealing with lesbian-feminist theory and practice once more, while acting freely, aiming at a feminism that has a chance to become a lived reality among lesbians. In order to achieve this goal, the highest underlying principle is that we should respect and appreciate each other personally in a sisterly way, as well as in the wider lesbian-radical feminist community. We are cultivating critical dialogue, striving for a culture of debate that is characterised by fact-based criticism and respect for each other when dealing with a range of opinions. We reject the denigration of women/lesbians in public as well as on the Internet and social media.

Den Feminismus stärken – gegen das Patriarchat!
Strengthen feminism – against patriarchy!

Wir sind Teil einer weltweiten Bewegung zur Befreiung der Frauen von männlicher Herrschaft.
Wir sehen, dass die Welt, in der wir leben, in erster Linie durch patriarchale Herrschaft gekennzeichnet ist und deren immanenter Logik von Dominanz und Unterwerfung folgt. Wir verstehen die weltweite, jahrtausendealte Herrschaft von Männern (als Gruppe) über Frauen (als Gruppe) als systematisch und die für uns daraus folgende Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt als zentral an. Wir gehen davon aus, dass das Patriarchat als sich selbst stabilisierendes, lebendes System auf verschiedenen Säulen basiert, die männliche Herrschaft – auch mit Hilfe von Ideologie – aufrechterhalten: unter anderem durch hierarchisch organisierte Institutionen, durch die Ideologie der heterosexuellen, patriarchalen Kernfamilie und Zwangsheterosexualität, durch Gesetzgebung, Religion, Erziehung, Literatur, Medien, und Kunst, Wissenschaft und das Bildungssystem und alle offensichtlichen oder subtilen Formen männlicher Gewalt gegen Frauen.

Wir verstehen unsere kollektive Unterdrückung als Frauen in erster Linie als sexuelle Unterdrückung, die unsere weiblichen Körper im Fokus hat und weibliche Autonomie auf allen Ebenen schwächen soll. Wir sprechen uns gegen alle Formen männlicher Gewalt und Herrschaft aus: häusliche Gewalt, sexuelle Gewalt, Femizid, weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, Zwangsschwangerschaft, sexuelle Belästigung, und verstehen Prostitution, Pornographie und sexuellen Sadismus als Zeichen dieser.  Wir werden als Lesben und Frauen systematisch erniedrigt, unser intellektuelles Potenzial und unsere Leistungen werden herabgewürdigt, unsere Kreativität und unsere geistigen Potenziale beschnitten. Wir verstehen unter anderem auch deswegen “Gender” als keineswegs angeboren, sondern als Konglomerat kulturell variierender, anerzogener Verhaltens- und Gefühlsmuster, Rollenerwartungen und -zuschreibungen, die ritualisiert, erotisiert und jeweils an das biologische Geschlecht geknüpft sind.  Wir verstehen daher “Maskulinität” und “Femininität” als Code-Wörter für männliche Dominanz und weibliche Unterwerfung. Wir gehen davon aus, dass es keine angeborene Geschlechtsidentität gibt. Ideologien, die „Gender“ als angeboren verfechten oder als frei wählbar trivialisieren, lehnen wir ab. Darüber hinaus erkennen wir, dass patriarchale Herrschaft – mit der innewohnenden Logik von Dominanz und Unterwerfung – global weitere dramatische Unterdrückungsformen hervorgebracht hat und aufrechterhält. Dazu gehört neben der Unterwerfung der Mehrheit der Menschen auch die des Planeten Erde als ausbeutbares Objekt mit bisher kaum abschätzbaren Folgen für das Überleben aller Arten.

We are part of a worldwide movement for the liberation of women from male domination. We recognise that the world in which we are living is primarily characterised by patriarchal rule and its inherent logic of dominance and submission. We understand as essential the worldwide, millennia-old domination of men (as a group) over women (as a group) as a systematic one, as well as the exploitation, oppression and violence arising from it. We assume that patriarchy, as a self-stabilizing living system, is based on various pillars that maintain male domination: one pillar stands for hierarchically organised institutions; another is the ideology sustaining the heterosexual, patriarchal nuclear family and compulsory heterosexuality; a third encompasses legislation, religion, education, literature, media, sport, arts and science; the last includes all explicit and subtle forms of male violence against women.

We understand our shared oppression as women as being primarily sexually based, that is, targeting our female bodies, and it i­­s intended to weaken female autonomy at all levels. We speak out against all forms of male violence and domination: domestic violence, sexual violence, femicide, female genital mutilation, forced marriage, forced pregnancy, and sexual harassment. We understand prostitution, pornography and sexual sadism to be expressions of that same male violence. As lesbians and women, we are systematically demeaned, our intellectual potential and achievements are degraded, our creativity curtailed. We do not understand “gender” as innate, but rather as a conglomeration of culturally varying, learned patterns of behaviour and feelings, role expectations and attributions, which are ritualised, eroticised, while each is linked to biological sex. We, therefore, understand “masculinity” and “femininity” as being code words for male dominance and female submission and we reject ideologies that advocate an innate “gender” and the notion of a freely chosen “gender identity”. This is a trivialisation of the complexity of gender which we renounce.

Furthermore, we recognise that patriarchal rule – with the inherent logic of dominance and submission – has created and continues to perpetuate other serious forms of oppression on a global scale. In addition to subjugation of a vast majority of human beings, patriarchal rule includes subjugation of our planet Earth as an exploitable object. The consequences for survival of all species cannot yet be fully assessed.

Frauenräume!
Female-only spaces!

Wir möchten exklusive Räume schaffen, in denen sich Frauen/Lesben als von Diskriminierung und Herrschaft betroffene Personen austauschen können – Räume für Frauen/Lesben, die den vom Patriarchat produzierten Sexismus und Frauenhass satt haben und sich unter Frauen frei und wohl fühlen. Entgegen dem derzeitigen Trend von Lobbyisten und Politik, die über Jahrzehnte erkämpften Frauenschutz- und Rückzugsräume wie z.B Frauenhäuser, aber auch Frauenkultureinrichtungen, zu öffnen, wollen wir diese Frauenräume behalten und neue schaffen.

Eigene Räume ermöglichen uns die ungestörte Analyse unserer Lebensumstände als Lesben/Frauen ohne dabei die Befindlichkeit von Männern berücksichtigen zu müssen. So können wir ungestört Solidarität unter uns erfahren und aufbauen, unsere lesbische Identität stärken und die feministische Bewegung besser strukturieren und gestalten. Dies bedeutet nicht, dass es keine gemischtgeschlechtlichen Räume und Aktivitäten geben kann und soll. Wir verstehen diese Räume als einen Grundpfeiler unserer Befreiung und als ein Recht.

We are keen to create exclusive areas in which we as women/lesbians are free to share our experiences of discrimination and domination. We need spaces for women/lesbians who are fed up with the sexism and misogyny inherent in patriarchy and who feel free and comfortable among women. In addition, we strictly reject attempts by lobbyists and politicians to make women’s safe spaces, such as women’s refuges and cultural establishments, available to all. We support the continuation of existing women’s institutions that have been hard fought for, as well as the creation of new spaces. Female-only spaces would allow us to analyse the circumstances of our lives as lesbians/women without having to consider the sensitivities of men. In this way, we can experience and build up sisterhood, strengthen our lesbian identity, as well as shape the feminist movement more effectively. This does not mean that there cannot and should not be any mixed-sex spaces and activities. We understand women-only spaces as being a fundamental principle of our liberation and our right.


Lesbisches Aktionszentrum (LAZ reloaded), Juni 2020 ©