23. Januar 2022

Sabine Constabel über die Lebenssituation prostituierter Frauen in Deutschland und die Arbeit von „Sisters – für den Ausstieg aus der Prostitution e.V.“

Sabine, Vorständin des Vereins Sisters, sprach von der Gewalterfahrung prostituierter Frauen und ihrer Stärke. Was Prostitution für die Frauen wirklich bedeute, sei kaum bekannt, nämlich serielle Vergewaltigung, die krank mache.

Prostitution sei keine „Sexarbeit“: Kein „Job“, der ergriffen werde, um sich Qualifikationen anzueignen oder auszubauen; auch kein „Sex“, da es sich nicht um gegenseitige sexuelle Anziehung sondern um ein Geschäft handele. Dem Einstieg in die Prostitution lägen vielmehr frühere heftige Erfahrungen (Gewalt, Missbrauch) der Frau mit Männern zugrunde, wobei der spätere Ausstieg immer mitgedacht werde. Einen Paradigmenwechsel für Prostituierte hin zum Negativen habe es durch den Erlass des Prostitutionsgesetzes im Jahre 2002 seitens der rot-grünen Bundesregierung gegeben:

Da Prostitution nicht mehr „sittenwidrig“ war, konnten jetzt auch Bordelle gebaut werden; die Polizei war außen vor. Mit der EU-Osterweiterung 2004 und der späteren Arbeitnehmerfreizügigkeit strömten junge Frauen aus Südosteuropa, häufig Roma, in die deutschen Bordelle und auf den Straßenstrich: Seitdem Geschlechtsverkehr nun für 20,00 € zu haben war, stiegen zunehmend deutsche Prostituierte aus und konnten Hartz IV beantragen. In den Bordellen gelten sog. Hausstandards, die Frauen werden fremdbestimmt. Die Zimmermiete kostet im Durchschnitt 150-180 €/Tag.

Mit dem sog. Prostituiertenschutzgesetz 2017 änderte sich zugunsten der Prostituierten -außer der Abschaffung der sog. „Flatrate“ –  nichts. Die an den Prostituierten ausgeübte Gewalt wurde nicht eingedämmt, weil die Polizei keine Eingriffsrechte erhielt. Daher haben engagierte Frauen im Jahre 2015 Sisters e.V. gegründet.

Das Ziel: Der legalisierten Sklaverei von 18-20jährigen Frauen, geschätzt 120.000-400.000, durch Änderung auf der Nachfrageseite Einhalt gebieten. Das Mittel: Einführung des sog. „Nordischen Modells“, welches Folgendes beinhaltet: 

  1. Frauen entkriminalisieren
  2. Zuhälter und Freier kriminalisieren
  3. Ausstiegshilfen anbieten
  4. Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit vorantreiben.

Dem Vortrag schloss sich eine angeregte Diskussion an, in der es u.a. um die Einführung einer Beweislastumkehr in Strafverfahren gegen Bordellbetreiber zugunsten der prostituierten Frauen, den Möglichkeiten der EU, den Menschenhandel zu unterbinden, die Gründe, warum auch Frauen die „Sexarbeit“ verteidigen und die Rolle der Familien im Ausland, die sich an den Geldfluss ihrer Töchter/Schwestern aus Deutschland gewöhnt haben, ging.Gunda Schumann, Moderation

Co-Autorin des Buchs: An der Front des Patriarchats. Vom langen Marsch durch das Prostitutionsmilieu, Bensheim 1980

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