17. November 2021
An die Mitglieder der Hauptverhandlungsgruppe für die Koalitionsverhandlungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Verhandlungsführende,
da Sie das Transsexuellengesetz im Sinne eines sog. „Selbstbestimmungsgesetzes für Alle“ reformieren wollen, dem die Gesetzentwürfe von Bündnis 90/Die Grünen sowie der FDP zugrunde liegen, übersenden wir Ihnen als Vereinigung, die für die Nachhaltigkeit der erlangten Rechte für Frauen und Lesben eintritt, unsere Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen eines solchen Gesetzesvorhabens auf die Rechte von Frauen, insbesondere lesbische Frauen und Mädchen.
I. Jugendschutz
Genitalverändernde medizinische Eingriffe an Kindern ab 14 Jahren und Mastektomie an Mädchen bei gleichzeitiger Zulassung hormoneller Behandlungen vor der Pubertät (d.h., im Alter von ca. 10-13 Jahren) sind besonders aus Gründen des Kindeswohls (Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit) strikt abzulehnen.
Im Einzelnen:
II. Mangelnde Beratung von Kindern und Jugendlichen
Einseitige „positive“ Beratung im Sinne einer „Transidentität“ wird der komplexen Situation geschlechtsdysphorischer Kinder und Jugendlicher nicht gerecht und führt zu irreversiblen körperlichen Eingriffen, deren Folgen die jungen PatientInnen nicht überblicken können und oft bereuen (Verletzung des Rechts auf körperliche und psychische Unversehrtheit).
Im Einzelnen:
III. Missbrauch
Die freie Wählbarkeit des Geschlechtseintrags im Standesamtsregister für alle Personen, die dies wünschen, ermöglicht es biologischen (nicht geschlechtsangeglichenen) Männern, ohne rechtliche Hürden in geschützte (z. B. Frauenhäuser, Mädchennotdienste, Frauengefängnisse) und autonome Frauenräume (z.B. Vereine, Kneipen, Bars, Clubs) einzudringen; auch sexualisierte Gewalt gegen Lesben gehört zu den Folgen. Dadurch wird die Gleichstellung von Frauen und Männern behindert und das Recht von Frauen und Lesben auf körperliche und psychische Unversehrtheit gefährdet.
Im Einzelnen:
Mit einem sog. „Selbstbestimmungsgesetz“ bedarf es nicht einmal finanzieller Sanktionen mehr, den übrigen Frauen-, Mädchen- und Lesbenprojekten die Möglichkeit, unter ihresgleichen zu sein, zu versagen.
III. Fazit
Da das geplante „Selbstbestimmungsgesetz“ sowohl geschützte und autonome Frauenräume praktisch beseitigt und damit das Ziel einer Gleichstellung von Frauen und Männern erschwert als auch das Recht von Frauen, Lesben und Kindern auf körperliche und psychische Unversehrtheit eklatant zu verletzen geeignet ist, lehnt LAZ reloaded e.V. ein solches Ansinnen ab.
LAZ reloadedxx e.V. fordert eine breite evidenzbasierte Debatte über die Reform des Transsexuellengesetzes sowie über die Zulassung „genitalverändernder chirurgischer Eingriffe“ an Kindern und Jugendlichen und die damit verbundenen massiven Beeinträchtigungen von Frauen-, Lesben- und Kinderrechten.
Als Ergebnis der Debatte müssten die konkurrierenden Rechte von Frauen einschl. Lesben und der Schutz von Kindern mit den Rechten von Trans-Personen in Ausgleich gebracht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Gunda Schumann
Vorständin
[1] Z.B. die S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP) und die Standards of Care der World Professional Association for Transgender Health (WPATH), zitiert von der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste (WD), Deutscher Bundestag, „Störungen der Geschlechtsidentität und Geschlechtsdysphorie bei Kindern und Jugendlichen. Informationen zum aktuellen Forschungsstand, Az.: WD 9-3000-079/19, 15.11.2019, S. 40f. m.w.N., https://www.bundestag.de/resource/blob/673948/6509a65c4e77569ee8411393f81d7566/WD-9-079-19-pdf-data.pdf [letzter Zugriff: 15.11.2021]; vgl. auch DGKJP : „Stellungnahme der DGKJP vom 03. Februar 2020 zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kindern vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen“, S. 2ff., https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Verbot_OP_Geschlechtsaenderung_Kind.html [letzter Zugriff: 15.11.2021].
[2] WD, ebd., S. 17f. und 19ff.; Dr. Alexander Korte, „Lost in Transition: Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter“, präsentiert im Forum Bioethik „Trans-Identität bei Kindern und Jugendlichen: Therapeutische Kontroversen – ethische Fragen“, Deutscher Ethikrat, Berlin, 19.02.2020, m.w.N., S. 8f., https://www.ethikrat.org/fileadmin/PDF-Dateien/Veranstaltungen/fb-19-02-2020-korte.pdf [letzter Zugriff: 15.11.2021]; Deutsche Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft e.V.(DGSMTW), Erwiderung vom 11. März 2020, S. 2, https://www.dgsmtw.de/app/download/12549542/Stellungnahme+DGSMTW+an+Deutschen+Ethikrates+Trans-identität.pdf [letzter Zugriff: 15.11.2021] zur „Ad-hoc-Stellungnahme des Deutschen Ethikrates ‚Trans-Identität bei Kindern und Jugendlichen: Therapeutische Kontroversen – ethische Orientierungen’“, 21.02.2020, https://www.ethikrat.org/forum-bioethik/trans-identitaet-bei-kindern-und-jugendlichen-therapeutische-kontroversen-ethische-fragen/ [letzter Zugriff: 15.11.2021].
[3] Quincy Bell, Mrs. A. vs. The Tavistock and Portman NHS Foundation Trust, Approved Judgment of The High Court of Justice, London [2020] EWHC 3274 (Admin), dated 01/12/2020, Rz. 26 [zitiert: Judgment Bell], https://www.judiciary.uk/wp-content/uploads/2020/12/Bell-v-Tavistock-Judgment.pdf [letzter Zugriff 15.11.2021].
[4] Vgl. z.B. Dr. Alexander Korte in : Chantal Louis, „Trans. Einfach das Geschlecht wechseln?“ Emma-Dossier, Januar/Februar 2020, S. 56, 59; Emma Hartley, „Why do so many teenage girls want to change gender?“, Prospect, 03.03.2020, p. 4 https://www.prospectmagazine.co.uk/magazine/tavistock-transgender-transition-teenage-girls-female-to-male [letzter Zugriff: 15.11.2021].
[5] Video: Clemens Riha interviewt Dr. Alexander Korte, https://www.candoberlin.de/filme/alexander-korte-im-interview/ [letzter Zugriff: 15.11.2021].
[6] Vgl. Chantal Louis (Fn. 4), S. 59.
[7] Dr. Korte ist als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft an der Expertenkommission beteiligt, die gegenwärtig die Leitlinie zur Behandlung von trans Kindern und Jugendlichen überarbeitet, vgl. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/028-014.html [letzter Zugriff: 15.11.2021].
[8] Ein Projekt für ältere und behinderte Lesben, http://rut-berlin.de/ [letzter Zugriff: 15.11.2021].
[9] Vgl. Projektbeschreibung, https://lesbisch-sichtbar.berlin/ [letzter Zugriff: 15.11.2021].
[10] Diana Shaw, „Transgender policy that led to male sex offenders in women’s jails set to be reviewed”, Women are Human, 6 November 2021, https://www.womenarehuman.com/transgender-policy-that-led-to-male-sex-offenders-in-womens-jails-set-to-be-reviewed/ [letzter Zugriff:15.11.2021].
[11] Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe in Berlin (Berliner Strafvollzugsgesetz – StVollzG Bln) vom 04. April 2016, Fassung vom 14.09.2021, gültig ab 25.09.2021, § 11 Abs. (2), https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-StVollzGBEV1P11 [letzter Zugriff: 15.11.2021].
[12] Caroline Lowbridge, BBC News, 26 October 2021: “We’re being pressured into sex by some trans women’, https://www.bbc.com/news/uk-england-57853385 [letzter Zugriff: 15.11.2021].
Autorin: Gunda Schumann ©